Restaurierung des ERARD-Flügels Nr. 13.628 – „Ferdinand von Hiller“

Ferdinand von Hiller (1811-1885)

Kennen Sie Ferdinand von Hiller?

Er war ein deutscher Komponist, der im 19. Jahrhundert eine bemerkenswerte Karriere als Pianist machte. Seine musikalische Tätigkeit führte ihn Ende der 1820er Jahre nach Paris, wo er sogar gemeinsam mit Chopin und Liszt auftrat. Kurz bevor er Paris aus familiären Gründen verlassen musste, erwarb er bei dem Pariser Klavierbauer Sébastien Érard einen Flügel.

Dieser Flügel mit der Seriennummer 13.628, gebaut im Jahr 1835, ist ein besonderes Modell, stellt es doch das Bindeglied zwischen (damals) traditioneller und moderner Bauweise im Hause Érard dar. 

Der Flügel hat schon Eisenspreizen, aber noch einen hölzernen Rahmen, an dem, nur durch eine dünne Messingplatte verstärkt, die Saiten aufgehängt sind. Er besitzt noch die alte Gehäuseform des „piano en forme de clavecin“ hat aber schon die revolutionäre Repetitionsmechanik mit doppelter Auslösung, deren Weiterentwicklung wir heute in jedem modernen Flügel unserer Zeit vorfinden. Dieses „Zwischenmodell“ wurde nur eine kurze Zeit gebaut, bevor Èrard schließlich das Modell entwarf, das dann, nur noch in Details verändert, bis in das 20. Jahrhundert hinein gebaut wurde.

Am 1. August 1842 gab Hiller seinen Flügel bei Érard in Zahlung und erwarb einen neuen Konzertflügel (Nr. 15.489). Der alte Érard wurde als Gebrauchtinstrument weiterverkauft. Hier verliert sich seine Spur und findet sich erst wieder, als das Instrument im Jahre 2010 in Paris bei einem Händler auftaucht, von dem es dann nach Köln verkauft wird. Dieser Umstand ist insofern bemerkenswert, da der Flügel so seinem einstigen Besitzer gefolgt ist. Denn auch Hiller ließ sich einst in Köln nieder, wo er u.a. Leiter des Musikkonservatoriums war und wo er auch verstarb. 

Auf diesem späten Bild von Hiller in seinem Musikzimmer ist sein zweiter Erard-Flügel zu erkennen.

Seinem ersten Flügel mit der Nummer 13.628 indessen ist in den Jahren nach Hillers Abschied von Paris einiges widerfahren. Auch dieser Flügel erlitt das Schicksal, das so viele Instrumente mit Holzrahmen  erleiden mussten: er wurde abgesägt, gekürzt. Man kann es kaum fassen, aber solch eine Arbeit war im 19. und auch noch im 20. Jahrhundert nicht unüblich. Handelte es sich doch bei Hillers Flügel um einen langen Konzertflügel, war er offensichtlich für den nächsten Besitzer zu groß. Er passte schlichtweg nicht durch das Treppenhaus oder in das Musikzimmer. Daher wurde das Instrument kurzerhand um ca. 60 cm gekürzt. Diese Arbeit wurde zumindest mit Sachverstand ausgeführt, so dass der Flügel trotz des großen Eingriffs ein Musikinstrument geblieben ist. 

Als er schließlich 2010 in Köln bei einem Antiquitätenhändler landete, ist er offensichtlich noch mehrmals repariert und aufgearbeitet worden, leider dann nicht mehr so fachmännisch.

Der Resonanzboden z.B. hatte große Risse, in die man einfach Silikon gespritzt hatte. Dies hat dem Flügel dann auch klanglich den Rest gegeben. Der neue Besitzer traf aufgrund der Seltenheit des Instruments und seines berühmten Vorbesitzers die Entscheidung, das Instrument noch einmal von Grund auf restaurieren zu lassen. So kam der Flügel schließlich im Herbst 2014 in unsere Werkstatt.

180 Jahre haben ihre Spuren hinterlassen.
Der handgeschriebene Schriftzug mit der Seriennummer auf dem (gerissenen) Resonanzboden.
Nach dem Entfernen der Saiten kann man gut erkennen, dass jemand Silikon in die Resonanzbodenrisse gespritzt hat.
Dieses zu entfernen, erforderte viele Arbeitsstunden.
Der reparierte Resonanzboden.
Bei der Restaurierung der Lackfläche geht im Reparaturbereich zwangsweise der Schriftzug verloren.
Der Schriftzug ist wiederhergestellt und der Boden mit dem regenerierten Originallack gestrichen. Farblich passen die behandelte und die unbehandelte Seite des Bodens noch nicht zusammen. Da wir aber das originale Material in der ursprünglichen Art und Weise verarbeitet haben, wird sich dies schnell angleichen.
Hier werden die Eisenspreizen wieder eingesetzt.
Die Saiten wurden wieder originalgetreu angefertigt.
Das Aufziehen der Saiten erfordert Präzision und viel Geduld.
Inzwischen ist der Resonanzbodenlack so weit ausgehärtet, dass man keine Spuren einer Reparatur mehr erkennen kann.
Viele Verleimungen mussten erneuert werden.
Die Lyra ist wieder ganz und macht keine störenden Geräusche mehr beim Treten der Pedale.
Völlig ausgeschlagen waren die Führungen der Tasten.
Alle Tuchstreifen sind erneuert worden.
Regulierarbeiten an der Mechanik.
Ein Hebeglied dieser Mechanik. Gut zu sehen, die Doppelfeder in der Mitte, die schnellste Tonwiederholungen ermöglicht.
Diese Erfindung von Érard wird heute noch in jedem modernen Flügel verwandt.
Originale Unterlagen und spezielle Werkzeuge sind unverzichtbare Helfer bei der Restaurierung historischer Instrumente.
Auch die verwendeten Materialen unterscheiden sich von denen des „alltäglichen“ Klavierbaus.